Eine aktuelle Studie der Universität Potsdam zeigt, dass die AfD auf TikTok bei den Erstwähler*innen doppelt so erfolgreich ist wie alle anderen Parteien zusammen. Auch die Inhalte des BSW werden auf TikTok stark von Erstwähler*innen konsumiert, die junge Partei übertrifft die etablierten Parteien deutlich in ihrer Sichtbarkeit.
Wichtigste Erkenntnisse
Dominante Präsenz der AfD
Die AfD ist auf TikTok doppelt so erfolgreich wie alle anderen Parteien zusammen. Im Durchschnitt bekommen Erstwähler*innen täglich mehr als ein Video welches AfD-Inhalte thematisiert angezeigt. Andere Parteien spielen teils nur eine minimale Rolle.
TikTok-Erfolg, übersetzt in Parlamentssitze
Wenn sich die Sichtbarkeit und das Engagement auf TikTok direkt in parlamentarische Vertretung umsetzen ließe, sähe die Sitzverteilung in den Landtagen deutlich anders aus, als das momentan der Fall ist.
Parteien-Präsenz in TikTok-Feeds der Erstwähler*innen
Abseits der offiziellen Kanäle der Parteien und ihrer Kandidat*innen erzeugt die AfD insgesamt mehr Diskussionen auf TikTok als andere Parteien. Hashtags, die mit der AfD in Verbindung gebracht werden (z.B. #AfD), waren doppelt so häufig unter den Videos in den Feeds von Erstwähler*innen des Untersuchungssamples vertreten, wie die Hashtags der anderen Parteien. Im Durchschnitt bekommen Erstwähler*innen wöchentlich über 9 Videos die AfD-Inhalte thematisieren angezeigt. Auf dem geteilten Platz 2 liegen das BSW und die CDU, beide mit durchschnittlich 1,1 Videos pro Woche. Alle anderen Parteien sind deutlich seltener in den Feeds von Erstwähler*innen zu finden.
Methodik
Die Studie analysierte zwischen dem 13. August und dem 1. September über 75.000 Video-Beiträge auf TikTok. Erhoben wurden diese über zu Forschungszwecken angelegte Nutzerprofile von insgesamt 30 Personen (mehrheitlich Jahrgang 2006 + Kontrollgruppe Jahrgang 1980) aller Geschlechter aus Sachsen, Brandenburg und Thüringen, die parteilos und ohne politische Präferenzen auftreten. Von den 75.000 untersuchten Videos haben ca. 2.000 Videos eine explizit politische Ausrichtung. Andere Themen auf TikToK sind z.B. Comedy, Reisen, Food und Lifestyle. Unser Datensatz enthält detaillierte Informationen zu jedem Video, einschließlich Metadaten wie Ersteller*in, Beschreibung und verwendete Musik, sowie verwendete Hashtags und Engagement-Metriken (Likes, Kommentare, Shares, Views). Wir erfassen auch den Erstellungszeitpunkt und Ort des Videos sowie den Verifizierungsstatus des Autors. Zusätzlichen wurden Videos der offiziellen Partei-Kanäle untersucht, um herauszufinden, wie die Parteien selbst auf TikTok auftreten.
Zusätzliche Erkenntnisse
Aktivität der Parteien und Kandidat*innen
Die offiziellen TikTok-Kanäle der AfD haben mit 730.000 Follower*innen deutlich mehr Anhänger*innen als die Kanäle der anderen Parteien. Gleichzeitig produzieren andere Parteien genauso viele Videos oder sogar mehr (offizielle AfD-Accounts in den acht Wochen vor den Landtagswahlen: ca. 160 Videos, SPD: über 200 Videos, Grüne und Linke: über 160 Videos), mit denen sie aber nur eine geringe Sichtbarkeit in den Feeds der Erstwähler*innen erzielen. Besonders auffällig ist die breite Aufstellung der AfD bei den Kandidierenden: Von den Top-10 Kandidat*innen auf den Landeslisten sind 17 von 30 AfD-Kandidat*innen offiziell auf TikTok aktiv, während es bei den anderen Parteien im Durchschnitt nur 7 von 30 sind. Die AfD übertrifft damit die TikTok-Präsenz der anderen Parteien um mehr als das Doppelte.
Multiplikatoren
Der überwiegende Großteil der politischen Inhalte auf TikTok wird von Multiplikator-Accounts oder 'Proxy'-Accounts verbreitet, die Partei-Inhalte über die offiziellen Kanäle der Parteien hinaus verstärken. Insgesamt haben wir über alle Parteien hinweg mehr als 300 solcher Accounts gefunden. Besonders relevant sind diese Accounts für die AfD, die mehr als 85% ihrer Sichtbarkeit über inoffiziellen Kanäle erreicht. Das BSW erzielt 75% seiner Sichtbarkeit über den persönlichen Account von Sahra Wagenknecht.
Expertenkommentar
Prof. Dr. Roland Verwiebe, einer der Koordinatoren der Studie, erklärt: "Aus meiner Sicht sind die Ergebnisse alarmierend, weil sie zeigen, wie es die AfD, die in Thüringen als gesichert rechtsradikal gilt, und in Teilen auch das BSW relativ einfach schaffen können junge Menschen zu erreichen, die kein starkes Interesse an Politik auf TiKTok angeben und sich auch nicht explizit für bestimmte Parteien interessieren." "Der Content, der vom Algorithmus der Plattform ausgespielt wird, benachteiligt damit andere Parteien, die zum moderaten Spektrum zählen, massiv." "Der deutliche Anstieg der Wahlstimmen in der Altersgruppe der 18-24-Jährigen für die AfD in Thüringen (+20,5%) und Sachsen (+14%) und in Teilen für das BSW (+19% in Thüringen, +10% in Sachsen) spiegelt die Social-Media Dominanz dieser Parteien bei den Erstwähler*innen."
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